Auf die Größe kommt es an by Morgowski Mia

Auf die Größe kommt es an by Morgowski Mia

Autor:Morgowski, Mia
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Herausgeber: Rowohlt E-Book


17. Kapitel

«Musst du halten Nase zu und kippen, wie wenn wärrre Hustensaft.»

Jemand hält mir mit besorgtem Blick ein Schnapsglas vor die Nase, in dem eine braune Flüssigkeit hin- und herschwappt.

Ich schaue mich um. Was ist denn hier passiert? Meine Wohnung hat sich in die luxuriöse Kulisse von Die oberen Zehntausend verwandelt. Lauter teure Möbel und Teppiche. Und da ist sogar eine riesige Bücherwand. Wahnsinn!

Nur – was bitte schön macht Marc da drüben auf dem Chesterfield-Sofa? Müsste da nicht eigentlich Bing Crosby liegen? Oder Satchmo?

Und dort, auf dem Teppich, das sieht mir ganz nach dem schnarchenden Knipser aus. Haben wir etwa zu dritt die Nacht verbracht? Bäh!

Was stinkt denn hier nur so? Irgendein Geruch treibt mir den Gallensaft Richtung Gehirn.

«Nix drrran riechen!», werde ich gewarnt. Leider nicht von Grace Kelly, sondern von Marija, die sich zu mir auf die Sofakante gequetscht hat und von dort aus Erste Hilfe leistet. Schnell zieht sie jetzt das Glas mit der undefinierbaren Flüssigkeit zurück.

«Wenn du hast darrran gerrrochen, dann ist es schnell errrbrrrochen!» Hochzufrieden, in aller Herrgottsfrühe schon in Goethes Fußstapfen zu wandeln, hält sie mir den Saft wieder hin. «Losss!», befiehlt sie, und ihr Blick könnte es mit dem eines übergeschnappten Feldherren aufnehmen. «Trrrinken. Jetzt. Snell!»

Ihr Tonfall kommt mir bekannt vor, und ich weiß auch woher: Geile Hausfrauen ab fünfzig, für deren Hotline im Nachtprogramm geworben wird. Vermutlich verdient Marija sich dort peitschenknallend und mit Balkan-Akzent ein paar Euro dazu. Ruf! mich! an! Genauso dominant kommt sie jetzt auch gerade rüber.

Allerdings törnt mich ihre Show so gar nicht an, zumal ich mich gezwungen sehe, eine Flüssigkeit in mich hineinzuschütten, die wie der Gallensaft einer einheimischen Bergziege aussieht. Doch kaum habe ich das Glas geleert, legt sich Marijas raue Haushälterinnenhand auf meinen Mund und verschließt ihn für die nächsten fünf Atemzüge. Dann drückt sie meinen Kopf mit einer ruckartigen Bewegung nach hinten, murmelt etwas, das wie «In Ewigkeit, Amen» klingt und lockert ihren Griff. Erst, als bei mir vor Schreck der Schluckreflex einsetzt, entspannt sich auch ihr Gesicht.

Wodka ist ein Teufelszeug. Aber so langsam erinnere ich mich wieder: Dimitri möchte ab sofort geduzt werden, und der Knipser ist in betrunkenem Zustand noch schwerer zu ertragen als eine Horde Kindergartenkinder an Halloween.

Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Marija ein weiteres Glas befüllt.

«Nein, bitte, bitte nicht!» Entsetzt rolle ich mit den Augen.

Aber Marija kennt keine Gnade. Als das Glas voll ist und ich schon überlege, ob es wohl eine Entschuldigung dafür gibt, dass man die Haushälterin seines russischen Gastgebers k. o. geschlagen hat, dreht sie sich um und steuert Marc an.

Puh!

Mein Kollege liegt momentan noch nichtsahnend auf der gegenüberliegenden Couch und sabbert auf ein Leinenkissen. Vermutlich wird es ihm nach dem Aufwachen ähnlich dreckig gehen wie mir, deshalb lasse ich Marija gewähren. Immerhin besteht ja ein Fünkchen Hoffnung, dass sie weiß, was sie da tut. Mit der Krempita hat es ja schließlich auch ganz gut geklappt.

Während Marija meinem Kollegen den Bergziegengallensaft einflößt, ruft sie mir quer durch den Raum zu: «Junge Dame iste schon auferstanden. Beeilung! Kommte



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